Die Fassion von 1811

an mich

Fassionen

 

FASSIONEN

zu dem

 H Ä U S E R - R U S T I K A L K A T A S E R

des Steuerdistriktes Leupoldsgrün; Rentamt Hof

 

Nr.  1 bis 156 der Orte, bzw. Ortsteile

Leupoldsgrün,  Hartungs, Röhrsteig, Hohenbuch, Neumühle,  Mühldorf, Lipperts

 

 

V O R B E M E R K U N G E N  und  E R L Ä U T E R U N G E N

Die Steuerfassionen oder Fassionen zum Rustikalkataster Bayerischen des Staates von 1811 sind in Bayern die erste summarische Erfassung aller Besitzungen in Stadt und Land mit Aufzeichnung aller für die steuerliche Beurteilung bemerkenswerten Güter, Pflichten und Rechte. Unter der markgräflichen Regierung wurden in der Markgrafschaft Bayreuth nur über die Rittergüter in den Lehens-Spezifikationen ähnlich detaillierte Aufstellungen angefertigt. Von den Bauernhöfen enthalten nur die Spital- und Klösterurbare ähnliche Aufstellungen. Die markgräflichen Bürger- und Bauernlehensbücher und die Lehensbriefe der adeligen niederen Gerichte enthalten nur formale Angaben. Die unter Hardenberg angelegten Grundakten der preußischen Regierung liegen bis heute unregistriert und nicht benützbar im Staatsarchiv Bamberg,  auch die Steuerfassionen lagen in den Kellern der Amtsgerichte und wurden erst nach dem zweiten Weltkrieg in das Staatsarchiv abgegeben und hier von Anbeginn von Hans Hofner für die Forschungsarbeiten im fränkischen Vogtland benützt.

Zur Anlage dieser Dokumente:

Unter den Markgrafen von Bayreuth kannte man in den Dörfern keine Hausnummern. Die Anwesen unterstanden verschiedensten Lehensherren, die den Bewohnern durch den Lehensbrief erst das Recht der Hausung zuerkannten. Höfe aus dem markgräflichen Besitz wurden um Hof durch den Landeshauptmann juristisch vertreten. Daneben konnten das Hospital,  das Clarakloster, die Frühmessen in den größeren Kirchdörfern,  die Kirche St. Michaelis in Hof und die zahlreichen Rittergüter als Lehensherren fungieren.

Diese erfuhren jedoch bei gleichbleibender Funktion manche Änderungen. Die Reformation brachte die Überführung der Frühmeßgüter und Klosterbesitzungen in landesherrlichen Besitz. Für das Kloster wurde ebenso wie für das Hospital ein eigenes Amt zur Verwaltung gebildet. Die ehemals Markgräflichen Höfe unter dem Landeshauptmann von Hof kamen erst in königlich-preußischen, dann französischen und schließlich bayerischen Besitz. Während die adeligen Lehen unter der Verwaltung der niederen,  später Patrimonialgerichte blieben, erkennt man die bürgerlichen Lehen an ihrer Unterstellung zum Justiz- und Kammeramt in Hof. Deshalb bestand die Möglichkeit, das noch im 18. Jahrhundert vier Höfe eines Ortes ebenso vielen Lehens- und Gerichtsherren unterstanden.

Um diesem Durcheinander beizukommen, wurde durch die bayerische Regierung der Gedanke einer umfassenden Registrierung, vorbereitet durch die preußischen Grundakten,  aufgegriffen und das ganze Land in Steuerdistrikte eingeteilt. So wurde Leupoldsgrün durch seine zentrale Lage zum Sitz des Steuerdistriktes für die umliegenden Dörfer. Gemeinden in unserem Sinne bildete man erst nach 1821. Einheitliche Formblätter und eine Dienstanweisung wurden herausgegeben. Sämtliche Hausbesitzer bzw. Lehensinhaber wurden vorgeladen und mussten vor dem Ortsvorsteher, dem Steuervorgeher und dem Lehrer auf mündliches Befragen die Unterlagen über alle Besitzungen, Pflichten und Rechte bekunden und die Lehensbriefe früherer Jahrhunderte vorlegen. Der Lehrer fungierte als Protokollführer. Hierbei wurden die Besitzungen,  die Abgaben und Lasten auf verschiedenen Bogen eingetragen . Diese nach einem Schema angelegte Loseblattsammlung wurde dann dem Inhaber des örtlichen Gerichtes vorgelegt (hier die Freiherren von Reitzenstein auf Hartungs). Dieser konnte Zusatzbemerkungen nachtragen. Wo nicht durch die Flurbereinigung  die alte Besitzordnung völlig zerstörten, gelten nach den erstmals verwendeten Hausnummern noch heute (1977) für diese Aufzeichnungen Haus für Haus.

Die Bedeutung der Fassionen für die lokale Forschung

Die Aufschlüsselung der Einträge ist so vielseitig,  dass zur Bearbeitung einer Chronik nur die Kopie der Protokolle einer Dokumentation gerecht werden konnte. Die Namen der Besitzer von 1811 und der Eintrag der Herkunft des Anwesens sind familiengeschichtlich von Bedeutung. Angaben über Berufe, Bauweise,  Grundbesitz mit Größe und Flurnamen,   besondere Gerechtigkeiten (Rechte) wie Alkoholherstellung und -handel etc.,  Naturalleistungen an Kirche,  Schule, Kammeramt usw. erlauben bereits statistische Aufstellungen  und Vergleiche mit Urbaren und Rittergutspezifikationen . Nach den aufgeführten Flurnamen sind die Urhöfe mit den Einträgen in den Urbaren gleichzusetzen. Viele davon können nach den Belehungen in den Ritterlehenbüchern bis 1400, nach Verkaufs- und Schenkungsurkunden sogar bis 1350 zurückverfolgt werden. Seldengüter, als Tochterlehen der Urhöfe, entstanden meist im 16. Jahrhundert, die "Trüpfhäuser" meist erst nach 1680 bis 1750 als Behausung der Dienstboten bei den Rittergütern. Ihr Hausrecht endete ursprünglich dort,  wo die Dachrinne tropfte, in der "Trüpf". Interessant ist hierbei die überwiegende Zahl dieser kleinen Behausungen und die überraschend hohe Zahl der Analphabeten, die selbst den eigenen Namen nicht schreiben konnten und deshalb auch 1811 in der Fassion nur mit drei Kreuzen unterschreiben konnten. Diese Angaben mussten dann von "Amtsträgern" bestätigt werden.

Historische Fachausdrücke

Der Eintrag der Bauweise gibt wertvolle Erkenntnisse an die Hand. Völlig aus Mauern aufgeführte Häuser sind fast nur bei den Rittergütern und Pfarrhöfen zu finden. Halb gemauerte Häuser besaßen nur im Erdgeschoss mauern, der gesamte Aufbau bestand aus Holz. Die Mehrzahl der Häuser war "geschroten". Gehäkseltes Stroh und Strohbänder wurden in Lehm getaucht  und mit dem Gemenge die Felder zwischen den Balken ausgestrichen . Die Blockbauweise mit verzapften Balken war wegen des hohen Holzverbrauches selten üblich, wohl aber der Verschlag mit Brettern über gestampften Lehmböden, wobei die Fenster der unteren Stube meist nur 30 cm über dem Boden begannen und man sich bücken musste,  um in die Stube sehen zu können. Die Mehrzahl aller "Trüphhäuser" besaß nur eine Stube. Fronherbergen waren kleine Gütlein,  deren Bewohner das ganze Jahr über, wann der Herr es befahl, zur Arbeit antreten mussten. Alles und jedes kleinste Vorgehen war genehmigungspflichtig und wurde in den Lehensbriefen vermerkt,  so z.B. die Anlage einer "Milchsteige", eines von Wasser durchflossenen Steinkastens,  in den die Milchkannen zur Kühlung der Milch gestellt wurden. Die "Hofraith", das "Hofrecht" war durchaus nicht selbstverständlich, sondern ein Vorrecht der größeren Anwesen mit erforderlichem Fuhrwerk. Die hierbei genannte "Eyten" war die heutige Egge. Die größeren Höfe hatten auch den eigenen Backofen, entweder an die Küche angebaut oder frei stehend,  wovon um 1950 noch einzelne in Leupoldsgrün erhalten waren. Dass die Häuser mit Stroh gedeckt waren (nur größere Güter, Schule und Kirche waren mit Schiefem gedeckt),  war so selbstverständlich,  aß dieser Umstand in den Fassionen gar nicht erwähnt wurde. Lipperts hatte im gleichen Zeitraum noch strohgedeckte Trüpfhäuslein. Das Schor- oder Hausgärtlein war fester Bestandteil eines jeden Gehöftes zur Straße hin. Gemüsegärten werden besonders benannt. Acker im Winterfeld trugen die Herbstsaat,  solche im Sommerfeld die Frührjahrsaussaat. Zweimädige Wiesen konnten im Sommer und zur Grummeternte abgemäht werden. Einmädige Wiesen trugen nur im Frühsommer Gras. Flachsrösten innerhalb der Wiesen waren kleine Teichlein,  in welche die Flachsbündel zum Abfaulen der Stengelfasern getaucht wurden. Ungewöhnlich ist auch die Berechnung der Flächen nach Quadratruten. Dieses Flächenmaß betrug in der Hofer Gegend gewöhnlich 3  x 3 Meter,  aber auch 5 * 5 Meter,  weshalb das Tagwerk meist mit 400,  aber auch mit 300 Quadratruten angegeben wurde. Diese Angaben werden durch einen Hinweis erhärtet, aß in Hof eine Quadratrute 15 Schuh im Quadrat (15 x 30 cm) zu rechnen sei. Wenn wir der Länge für 1 Schuh 30 cm zu Grund legen,  so ergibt die Rute  0,3 m x 15 = 4,5 m. Das Tagwerk zu 400 Quadratruten enthielt demnach 4,5 m * 4,5 m 20, 25 m² pro Quadratrute mal 400 = 8100 m² des heutigen Flächenmaßes.

Gleichermaßen kompliziert ist die Umrechnung der Hohlmaße. Nach einer alten Hofer Reduktionstabelle betrug 1 Hofer Scheffel 8 Achtel oder 160 Nürnberger Schenkmaß,  1 Achtel demnach 20 Nürnberger Maß (Hafer), während man in Bayern 25 Maß rechnete.

Auch im Münzsystem ist schwer ein Vergleich zu heute zu finden. Rechnet man den Gulden zu 60 Kreuzern fränkischer Währung,  so galt der Kreuzer 3 Pfennig,  der Groschen 10 Pfennig.

Um 1811 hatte man längst statt der ehemals üblichen Naturalienabgaben von Eiern, Hennen, Hähnen,  Käse,  Flachs und Getreide Ersatzzahlungen in Gulden oder Kreuzern festgesetzt . Die Fron mit den Händen oder dem Gespann war von früh 6 Uhr bis 18 Uhr abends zu leisten, Botengänge waren reihum zu besorgen, oft bis Bayreuth,  Fuhren bei Schloss-,  Kirchen- und Schulausbauten auszuführen. Daneben mussten für durchziehende Heere Vorspanndienste geleistet werden. Nachdem Napoleon 1806 in Madrid den Frondienst abschaffte, entstand für die Güter des Adels eine schwere wirtschaftliche Krise. Noch im 18. Jahrhundert hatten diese Güter im Sommer mindestens 300 Schafe, welche die gesamte Flur abweideten und viel Schaden verursachten. Viele Orte lehnten sich dagegen auf und auch Hartungs verzichtete gegen eine jährliche Zahlung (Triftgeld) auf das Halten großer Schafherden.

Von einschneidender Bedeutung war auch die Zahlung des 10. Gulden bei Besitzwechseln oder Todesfällen des Lehensmannes. Lastete auf dem Hof gar das "Hauptrecht",  so musste das beste Stück Vieh aus dem Stall dem Lehenherren gegeben werden. Unter "Heiligem Abend" verstand man das Umsingen des Lehrers mit den Schulkindern zum Einsammeln einer Gabe von Mehl,  Fleisch usw. Pfarrer und Lehrer waren um 1811 noch weitgehend auf Naturalien aus dem Ort angewiesen.

Flurkarten zu landwirtschaftlicher Auswertung waren noch nicht gebräuchlich. Nur für Kriegszwecke wurden für die Artillerie Vermessungen durchgeführt. Die ersten Staatlichen Vermessungen und Eintragungen aller Grundstücke nach Plannummern begannen 1851. Die Nummern wurden vielfach in die Fassionen nachgetragen ebenso wie Vermessungspläne um 1790. Da die alten Hausnummern durch Straßenbezeichnungen und neue Nummerierungen ersetzt wurden, wurden auch diese Angaben (teilweise) angefügt.

Die Steuerfassionen wurden im Staatsarchiv Bamberg durch Herrn Hans Hofner zuerst handschriftlich extrahiert, dann in Maschinenschrift übertragen und durch mich mit kleinen redaktionellen Änderungen in die vorliegende Arbeit integriert.

 

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